Donnerstag, 31. August 2017

Radio, someone still loves you

Skulp & Blog -  eine postkryptische Bestandsaufgabe der Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen. 
Das Wetter heute wird heiter bis wolkig, aber nachts ist es kälter als draußen.


Dr. Jackie L. Stevenson über Gerard Byrne: In Our Time

Ein Kampf der Gattungen! Gerard Byrne sucht sich in einer Stätte des Lesens, der Stadtbücherei, jenen Raum, der eigentlich der Musik vorbehalten ist, das Klavierübezimmer, und installiert dort eine Filmprojektion.
Die zeigt, technisch hoch professionell in Szene gesetzt, das Alltagsgeschäft eines Radiomoderators eines kleinen amerikanischen Senders, ungefähr ganz am Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. Gleichzeitig sehen wir vor der schallsicheren Trennscheibe des Studios eine Band allmählich ihre Instrumente auspacken und aufbauen, gelegentlich sogar anspielen. Die Geräusche kommen aus den zahlreichen Lautsprechern ringsum, während die Radiosendung, Sprache und Musik, aus den beiden fetten Monitorboxen vor uns kommen. Die hat der Künstler auf ihren massiven Gestellen so störend vor der Leinwand platziert, als wollte er uns auch auf diesem Wege sagen: Wir sollten das Hören vor das Sehen stellen. 
Es ist wie im Nostalgie-Kino, und der Film wird noch mal vorgeführt … (Udo Lindenberg)


Recht hat er! Besonders in diesem Fall. Denn es ist wirklich ziemlich langweilig, einem Radiodiscjockey bei der Arbeit zuzugucken. Besonders, wenn er den Wetterbericht für den amerikanischen Mittelwesten von vor 40 Jahren vorliest, inklusive aller zu erwartenden Verkehrsbeeinträchtigungen. Nur die Nachgeborenen können staunen: So sahen Kassettenregale aus!
Auch wenn es technisch raffiniert ist, dass Byrne das Geschehen in solche Sequenzen zerlegt hat, dass sie sich problemlos in verschiedenen Reihenfolgen aneinanderfügen lassen (weshalb der Film auch keinen Anfang hat und kein Ende findet) – so ergeben sich doch manchmal merkwürdige Anschlussfehler, wenn der DJ ein Stück ankündigt und ein anderes auflegt.
Welch trauriger Anblick: Ein Mikrophon, in das niemand jemals sprechen oder singen wird.

Die Band wird derweil nie fertig mit ihrem Aufbau; die Erwartung wird geschürt, aber nie erfüllt, Live-Musik wird es nicht geben.
Wozu dieser wahnwitzige Aufwand betrieben wird, um ein nostalgisches Stück pseudodokumentarisches Dauerfilmchen zu drehen, bleibt schleierhaft – da trösten auch Simon & Garfunkel nicht drüber hinweg. Wahrscheinlich ist es ein Werbefilmchen ex negativo:
Geht ins Kino und guckt richtige Filme!
Geht in die Bücherei nebenan und lest Bücher!
Radio Gaga, guten Tag? Ja…, nein… – richtig muss es heißen: “And everything I had to know /I heard it on my radio.”
Hört auf Kunst zu gucken!
Oder noch besser: Hört Radio!

Dr. Jackie L. Stevenson


Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl..

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Warum hinter dem Studio? Warum blau, die Hose, glaub ich?
Warum diese Lieder, die ich nicht hören wollte?
Na, wahrscheinlich Kunst!