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Dienstag, 26. Januar 2021

Konfliktlandschaften zu Gast im Flandernbunker

 


Mit dem Seminar KONFLIKTLANDSCHAFTEN besuchte ich im Jahr 2019 Auschwitz, Birkenau, Monowitz sowie Płaszów und wir fanden uns im Grauen der Menscheitsverbrechen wieder, teilten uns den Besuch vor Ort mit 2,2 Millionen Touristen im Jahr, waren ratlos, aufmerksam, betroffen, verwirrt, traurig, empört und immer wieder ungläubig, das Gesehene mit dem Geschehenen, das Vergangene mit dem Jetzt - kurzum die Dinge miteinander in Einklang zu bringen - hier, wo nichts als der Tod, seine nationalsozialistische und deutsche, bürokratische Maschinerie im Einklang mit irgendwas zu stehen scheint. 

Und als ich auf der "Rampe" stand, dort wo die "Selektion" über den sofortigen Gastod oder das "Überleben" im Lager stattfand, fand ich auf dem Boden liegend das ausgeschnittene Vexierauge im Staub der Gleisanlagen zu Birkenau. Und so begann ich zu sammeln, was der Boden an Spuren seiner touristischen Passagen hergab und erstellte Materialtagebücher einer Reise nach Płaszów sowie erste Verwertungen im Video oben.

Birkenauer Sonnenbrillenfund
auf Postkarte vom ortstypischen Wachturm mit Sonnenuntergang liegend, dahinter Gleisgestein aus Auschitz und diverse Fundstücke in Tüten

Und wenn ich nun 500 Tage später meine sortierten Funde aus Auschwitz betrachtete und im Flandernbunker zu Kiel neu zu sortieren begann, überkam mich eine ähnliche Ratlosigkeit -  verbunden jedoch mit dem Impuls mich daran zu erinnern, und nicht zu vergessen - an die Ratlosigkeit, an die Wut und an das Verbrechen.

Und das zum 76. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee.

GERMAN DEATH CAMPS - NOT POLISH
Stickerfund am Busbahnhof vor dem Konzentrationslager

Zu den Spuren des Gedenkortes Birkenau und Auschwitz und Płaszów gehörten die verspiegelten Sonnenbrillen, die Sticker der Reiseagentouren und die unaufgeräumten Reste des Filmsets von Spielberg Schindler´s Liste. Und nicht zu vergessen - all die Postkarten und Buttons für die Arbeit, die frei macht.

 
 
Und wenn jetzt hier im Video die gefundene Brille aus Birkenau am echten Stacheldraht des "Filmlagers" vor dem Hintergrund des Sonnenuntergang am ebenso echten Lagerzauns des KZ baumelt, dann spielen die Skizzen und Spuren mit den Versuchungen ästhetischer Beforschungen.


- gezeigt in Form eines inszenierten Forschungsapparates im Flandernbunker zu Kiel 
oder umschrieben in grenzwertiger Lyrik, die den Kühlschrankmagneten von Birkenau als partielle POLYPHONIE DES HOLOCAUSTS gewidmet ist. 
 
Und nun hoffe ich, daß wir trotz Corona bis Ende April noch einmal Zeit finden, die Ausstellung auch wirklich und real begehen zu können.
Am 27. Januaer 2021 um 19 Uhr sind Sie und Ihre Freunde dazu eingeladen vor Ort und in Kiel am Bunker als Projektion erste Einblicke und eine Einführung zu sehen.
 
Im Kontext der Installation meiner Arbeit danke ich zuallererst den beteiligten Künstler:innen Helene Baldursson, Andreas Brenne, Sarah Buechel, Nine Gerhard, Iwona Sasinska und Ella Malin Visse, sowie Anja Manleitner und Dr. Jens Rönnau vom Flandernbunker für die Freiheit der Gestaltung und den 48stündigen ununterbrochenen Aufenthalt im Bunker und Mahnmal. 
Schließlich Dr. Frank Wolff und Prof. Dr. Andreas Brenne für die ortskundige Führung in Polen sowie Jürgen Kaumkötter und Maria Anna Potocka, die wir im MOCAK in Krakau kennen- und schätzen lernten.

Ruppe Koselleck
im Projekt Konfliktlandschaften - Besuch in
Płaszów

Helene Baldursson, Andreas Brenne, Sarah Buechel, Nine Gerhard, Ruppe Koselleck, Iwona Sasinska und Ella Malin Visse
Der Flandernbunker - Mahnmal Kilian, e.V.

Im Kontext Ausstellung Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów, die am 27. Januar 2021 um 19 Uhr im Flandernbunker in Kiel eröffnet wird, werden an dieser Stelle Arbeiten und Projekte von sieben Studierenden und Lehrenden aus dem Fach Kunst von der Universtität Osnabrück vorgestellt. Die Arbeiten zeigen Exponate, Skizzen, Projekte und Reflexionen aus einer gemeinsamen Exkursion 2019 mit Historiker:innen in die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Monowitz und Plaszow.

Gezeigt wird zunächst der Stand der künstlerischen Beforschungen zum Komplex Auschwitz und Płaszów aus der IAK - Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften. Diese Arbeiten geben nur den künstlerischen Ausschnitt aus der Gesamtarbeit des IAK wieder, ohne deren Anregung und Diskussion diese Reflektionen nicht entstanden werden.

Donnerstag, 9. Januar 2020

Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów

Der am meisten fotografierte Ort in Auschwitz bleibt das Lagertor.
Beliebt für Selfies, beliebt als Erinnerung .......an was auch immer!

Kommen Sie am Sonntag, den 12. Januar 2020 - um 15 Uhr in die Ateliergemeinschaft Schulstraße nach Münster.

Steinbruchkante am Lager Płaszów, Campfirespuren, gesammelte
Nach dem Besuch von Auschwitz, Krakau und Płaszów stellt dort  eine Exkursionsgruppe von Studierenden und Lehrenden von der Universität Osnabrück künstlerische Arbeiten und Skizzen im Projekt KONFLIKTLANDSCHAFTEN vor. Ort - Foyer der Ateliergemeinschaft Schulstraße e.V.


Zur Diskussion werden keine fertigen Arbeiten sondern Reflexionen zu den aufgesuchten historischen Orten und zur Gedenkkultur rund um die Verbrechen und Abgründe um Krakau, Płaszów, Auschwitz und Umgebung. Verschiedene Erinnerungskulturen wurden einer künstlerischen Forschung unterzogen und stießen an reale Grenzen des "guten" oder besseren Geschmacks, wenn die Zeit reif dafür scheint, dass in Birkenau Kühlschrankmagneten mit Motiven wie "Arbeit macht frei" angeboten werden.


Sonnenuntergang mit Lagerturm (Birkenau)
- Ansichtskarte vom Souvenirshop am Lagerparkplatz.
Neben den offiziellen Gedenkstätten stieß die Exkursionsgruppe zudem auch auf unabgebaute Reste und Relikte aus dem Kontext des Filmsets von Spielbergs Schindlers Liste
sowie auch auf den unübersehbaren touristischen "Wert" der Erinnerung.

In Kurzvorträgen werden die anwesenden Künstler*innen ihre Projekte für einen Diskurs vorstellen.

Andreas Brenne, Helene Büker, Sarah Büchel, Karoline Gerhard, Ruppe Koselleck, Iwona Sasinska, Ella Malin Visse,

Wir freuen uns über Ihren Besuch.

Infoline der Veranstaltung, hier

Soweitsogutundschlecht.

Adad Eklir für den 
DER MEISTERSCHÜLER


Donnerstag, 2. Juli 2015

Wo die Radieschen blühen




Während der Film über ein Radieschen in Hürtgenwalder Schlachtfelderden gerade fertig geworden ist, hat das Radieschen zu blühen aufgehört und die Sonne brennt auf seinen Standort...

Soll ich das Radieschen noch essen? Wie lecker sind die Früchte von Schlachterden? Muß da Käse dazu?
Demnächst mehr an dieser Stelle.

Ruppe Koselleck
Beiträge zum FELDKULTURERBE 2015
 
Denn jeder Tag kann Datum werden -
und aller Boden ist von Bedeutung.

Besuchen Sie auch die aktuelle Ausstellung zum FELDKULTURERBE mit dem Beitrag
NIE WIEDER FRIEDEN.
Anmerkungen zum Beginn des kurzen 20. Jahrhunderts im MuseumQuartier in Wien. Dort kann man mich ab August im Museumsquartier besuchen.

Freitag, 29. Mai 2015

Schlachterde blüht und das Radieschen gedeiht

Im Zuge meiner FELDKULTURERBEFORSCHUNG entnahme ich am 17. März 2015 Erdproben aus geschichtskontaminierten Schlachtfeldern von 1914/18 und 1944/45 und unterzog diese ab dem 19. März einem Fruchtbarkeitstest. Das Verhalten einer modernen Feldblumenmischung aus dem Baumarkt um die Ecke in einem historischen Schlachtfelderdencocktail aus den Vogesen (Erster Weltkrieg) und dem Hürtgenwald (Zweiter Weltkrieg) wurde in einem handelsüblichen Blumentopf untersucht.

Dabei wurde in einem Fall die materielle Schlachterde mit einer Truppe Plastiksoldaten angereichert, die zuvor fachgerecht in einem Mixer auf ihren Einsatz zur FELDKULTURERBEFORSCHUNG vorbereitet wurden. (vgl. dazu das zugehörige Video).


Heute, und damit 71 Tage nach seiner Bepflanzung beginnen die Schlachterden zu blühen und es gedeiht das Radieschen.


Dieser Beitrag zum erinnerungskulturellen Kapital reflektiert das florale Werden und Vergehen und befragt alte Kriegsorte auf ihren touristischen und biologisch-ästhetischen Nutzen.
70 Jahre nach dem Krieg und gefühlte 49 Tage, bevor es einem Lebenden gelingt, das Radieschen im Marmeladenglas von unten zu betrachten.

Denn jeder Tag kann Datum werden -
und aller Boden ist von Bedeutung.

Besuchen Sie auch die aktuelle Ausstellung zum FELDKULTURERBE mit dem Beitrag
NIE WIEDER FRIEDEN. Eröffnung am 2. Juni 2015, 18 Uhr
Anmerkungen zum Beginn des kurzen 20. Jahrhunderts im MuseumQuartier in Wien.

Demnächst mehr an dieser Stelle.

Ruppe Koselleck
Beiträge zum FELDKULTURERBE 2015

Samstag, 28. März 2015

Den Opfern künftiger Kriege



Als ein Statement gegen die politische Instrumentalisierung von Kriegstoten zum  8. / 9. oder 10. Mai 2015 entstand dieser kurze Film als ein Denkmal - den Opfern künftiger Kriege gewidmet.

Mit Schlachtfelderden aus dem Hürtgenwald (1944/45), Schützengrabenkiesel vom Tête des Faux (1917/18), Plastiksoldaten von Ebay und einer modernen Feldblumenmischung von Mayer (2015).

Zur Vorgeschichte hier abbiegen.

Ruppe Koselleck
Beiträge zum FELDKULTURERBE 2015

Freitag, 27. März 2015

Schlachterden im Feldblumen- und Radieschentest

Raubgrabung am Kall Trail, Vossenack-Schmidt im Hürtgenwald 2015
Wo sich 1944/45 deutsche und amerikanische Soldaten zum Töten trafen, findet man heute verwachsene Bombentrichter am Steilhang im Hürtgenwald. Raubgräber hinterlassen auf dem in die Jahre gekommenen Schlachtfeld frisch aufgeworfene Erden am Wegesrand. Magnetophile Detektive spüren mit piepsenden Apparaten den armen Schweinen nach, deren Verabredung Tod und Verderben für ein variables Geschichtsschnitzel bieten. Hitlers Helden und amerikanische Befreier. Am Wochenende treffen sich Militaria zum Onanieren mit Wotan im Wald, gieren nach rostigen Stahlhelmen, Munition und Kriegsmüll, den sie auf Youtube zu Hause als militärische Fundgeschichte aufbereiten. Das seien alles Belgier, die dort ihr nazikrudes uniformes Unwesen trieben. So hört man  - von Einheimischen. Einen Panzer und einen Soldaten ließ ich vor Ort zurück.

"Scheiße, niedlich", Installation eines Panzers dort, wo Raubgräber und Kriegsspieler sich zum Buddeln treffen.

Der Hürtgenwald liegt im Frieden der Eifel von 2015. Grabfelder und variable Gedenkorte entwickeln touristisches Kapital - das Museum zu Vossenack heißt "Hürtgenwald 1944 und im Frieden".
"40m² Hürtgenwald" titelt sich eine Installation vor dem Museum. Ein in Rindenmulch eingebettetes Kriegs- und Schrottfeld vor dem Museum ist angelegt. Verbrannte Hölzer vom letzten Lagerfeuer liegen zwischen Granaten und Schrabnellen als gedenkpädagogische dunkle Stangen im Feld verteilt. Der Gedenkort ernährt sich vom totbringenden Eisen und Stahl. Allein es fehlt der Gartenzwerg.


Auch Amerikaner kommen in die Eifel. Doch die werden jetzt weniger - 70 Jahre nach dem Ende des Krieges. Aber man gedenkt der schweren Schlacht am Hurtgen Forest. Wo tote Menschen zum Fuchsfutter wurden, das in unereichter Geschmackslage am Steilhang zum Knabbern überwintern durfte. Infos auch am ausgewiesenen historischen Wanderweg - dem Kall Trail. Ein Arzt wurde zum Held und zwischen den Salven der Maschinengewehre gab es Pausen der Humanität im Alptraum der Schlacht... und ja es gab sie, die guten Deutschen, auch. Spektakuläres bleibt hängen - ... mir schwindelt bei der Betrachtung der inszenierten erinnerungskulturellen Überlieferung.

Manch einer spricht vom Vietnam der Amerikaner in Deutschland. 60.000. Eine Inflation der angenommenen Menge an tot umherliegenden, zerteilten Soldaten im Hürtgenwald gilt heute als überholt. Es bleiben ein paar ernüchternde Fünftausend Geschlachtete übrig. 

Helden und Legenden, Tote und gedenkstättenpädagogisch kontaminierte Erinnerung an all das, was uns selber nicht passierte, erzählen sich fort und weiter im Wald, in der Eifel - überall. Dankbarkeit für die Befreiung von Hitlerdeutschland mischt sich mit den sichtbaren Spuren unbeirrbarer örtlicher Schlachtenbummler, deren Videos auf Youtube so entsetzlich dämlich sind, dass ich auf deren Verlinkung verzichten möchte. Man kann gar nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte.



Zwei Tage irrte ich im Hürtgenwald umher und besuchte eine Exkursion der Universität Osnabrück. Streifte durch die Wälder im wunderschönen Vorfrühling von 2015. Nahm Spuren und Fährten der Raubgräber im Dickicht des Waldes auf. Sammelte steinige und rostige Dinge vom alten Kriegsfeld. Ließ mich von einem gelben Legostein berühren. Fand Knochenstücke im Maisfeld von heute und packte den zur Prüfung in ein Tütchen ein. Rind, Mensch oder Schweinebein? Feldspuren einer Knochenschlachtung.

Information der Gemeindeverwaltung auf dem Weg zu einer weiteren Erinnerungsstätte in Vossenack 2015
Später stand ich vor Gräbern und Steinzeugen einer anderen Generation. Hörte von Windhunden und Divisionen und sehe Zeugnisse künstlerischer Arbeiten von heute zum Krieg von gestern. Was nun? Was tun? In welche Formensprache sollen Künstler fallen, wenn sie den Krieg verarbeiten, ihm Bilder geben, formulieren, reflektieren, der Erinnerung einen Ort geben...? 

Beobachtete die Studierenden, die mit piependen Geräten über den Stoppelacker gingen, sah erste Auswertungen auf Monitoren flimmern, hörte Hacken hacken...und blickte in ein Loch, das der archäogeologohistorischen Forschung dient.

Feldblumenmischung (2015), nebst Schlachterden (1944) in Marmeladengläsern aus Plastik, am 19. März 2015

Führte seitenweise Tagebuch und entnahm dem Schlachtfeld Erden, die nun in meinem Atelier in einem Blumentopf stehen. Dann mischte ich historische Schlachtfelderden mit einer modernen Feldblumenmischung und gab dem kruden Gedanken Wasser. Gleiches versuchte ich mit der Aussaat von Radieschen in einem Marmeladenglas aus Plastik.

Schlachterden aus dem Hürtgenwald im Radieschentest - Marke Riesenbutter
Moderne Feldblumenmischung von 2015 gedeiht in Schlachtfelderden von 1944

Ich begreife das als FELDKULTURERBEFORSCHUNG und warte seitdem, daß was passiert. Gelingt die Saat? Und zeigen sich gute Ergebnisse bis zum 8. Mai 2015, wenn das Denken im Datum, der Zeitgeschichte ein weiteres Jubiläum schenken wird? 

Alles scheint niedlich. Hilflos, albern - aber grünlich, modrig und fruchtbar.


Erwarte nun eine termingerechte Blütenschlag und schöne Bilder aus dem FELDKULTURERBE zum 8. Mai.

Ratlos heute, am 26. März 2015, frage ich mich, wohin das führen soll - derweil sich die ersten Triebe aus der Schlachtenerde recken und sich mit den Radiowellen kreuzen, die von Schüssen in der Ukraine und von den kommenden Panzeraufmärschen zum Siegestag am 9. Mai in Moskau berichten. Es gibt kein Bild für 20 Millionen tote Sowjetbürger - was wiegen Zahlen? Wer fährt nach Rußland, wer drückt sich? Wer rechnet wann warum was auf? Zählen, Zahlen und Bezahlen? Rechnen und Aufrechnen?

Die inszenierte Erinnerung an die Millionen Toten wird zum politikkontaminierten Dopingmittel - zu einem Instrument. Es klingen Töne von gestern für eine Musik von morgen.

Denn jeder Tag kann Datum sein. Jede Erde Erinnerung. Jeder Boden Bedeutung.

Und aus der Erinnerung erquoll ein Dung, darin die Distel deihte, die ein Pflücken nie verzeihte.


Ruppe Koselleck