Montag, 4. September 2017

Oscar, Aram und die tiefen Schatten, die das Feuer wirft

Skulp & Blog -  eine postkryptische Bestandsaufgabe der Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen. 
 
Out of the frying pan…into the fire


Dr. Jackie L. Stevenson
über
Oscar Tuazon Burn the Formwork // resp. Aram Bartholl: !2 V / 5 V / 3 V

Oscar Tuazons Burn the formwork ist nicht wirklich Architektur, nicht wirklich Skulptur, ist keine wirkliche Müllverbrennungsanlage, nicht wirklich ansehnlich, nicht wirklich funktional, ist wirklich nichts.
 
Die Verschalung für das Gießen dieser Betontreppenattrappe war ja dazu bestimmt, im integrierten Kaminofen verbrannt zu werden, was nach wenigen Tagen schon passiert war. Eine sich selbst verzehrende Skulptur wäre mal interessant gewesen – aber es ging, wie so oft, nur um die äußere Hülle – oder den schönen Schein (des Feuers).
 
Kokeln für die Kunst
 
In Nullkommanix waren das Holz, die Energie und die Idee aufgezehrt. Was bleibt? Ein hässlicher, betonummantelter Grill an einem der unwirtlichsten Plätze ganz Münsters (den nicht einmal Obdachlose oder Drogendealer frequentieren), der aussieht wie ein unfertiger Treppenhausrohbau in the middle of nowhere.
 
Als wäre der Ofen noch nicht erfunden.
[Apropos erfinden: Quasi zu gleichen Zeit ist der Berliner Künstler Malte Bartsch auf eine ganz ähnliche, nur sehr viel hübscher gestaltete und bis ins Detail durchdachte Idee, die mittels eines Lagerfeuers beheizbare Betonsitzbank namens Social Bench / Bank Heat gekommen.]
Oder das Lagerfeuer:
 
Grill dein Handy!
Das entfacht Aram Bartholl gleich mehrfach; einmal in Gestalt eines Minigrills am Fernmeldeturm, um damit Energie zu erzeugen für einen Router mit Offline-Datenbank zum Leben ohne Internet … so uninteressant und ab vom Schuss, dass sich’s nie einer anguckt.
Günstiger gelegen ist da schon seine offene Feuerstelle am Pumpenhaus. Erst denkt man: Hurra! Hier kann ich mir ein Stockbrot backen. Aber Fehlanzeige: Es geht bei der über die offene Flamme gehaltenen Rute hier offenbar um die bahnbrechende Erkenntnis, dass man mit Feuer Energie erzeugt, Licht und Wärme. Und die Wärme kann man mittels entsprechender Apparate in Strom verwandeln, weshalb man dann mit den passenden Steckern am solcherart gespeisten Akku am Stiel auch sein Handy aufladen kann. Toll!
 
Wie schön wäre es, man könnte stattdessen an dem Stock sein Handy grillen und es käme, nun, nicht gleich ein Prometheus, aber so etwas wie ein Quentchen Geist zum Vorschein – oder wenigstens eine bezaubernde Jeannie.
 
Immer schön im Kreis gedacht: Das große Gebastel des Aram B.
Ganz sparsam wird Bartholl dann im finsteren Tunnel am Schlossplatz: Mit Teelichtern erfindet er dort das Rad neu oder zumindest den Radleuchter. Die hängend im Kreis montierten Wachslichter leuchten nicht einfach, sondern ihre Wärmeenergie wird durch einen Thermogenerator in Strom verwandelt, der eine LED zum Leuchten bringt, jeweils eine pro Teelicht. Das sieht in der Kombination von warmem und kaltem Licht ganz nett aus, wie diese funzelige Beleuchtung in fünffacher Ausführung im dunklen Tunnel hängt und vergeblich versucht, die dort herrschende Finsternis zu verscheuchen – als Mittel zur Erhellung sind die Radleuchter jedoch völlig unzureichend.
 
Ob der Künstler damit bei „Jugend forscht“ einen Blumentopf gewonnen hätte? Oder ob er doch bei der „Sendung mit der Maus“ besser aufgehoben wäre?
 
Dr. Jackie L. Stevenson

Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl..

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