Samstag, 5. August 2017

So wertvoll wie ein kleiner Steg

Skulp & Blog -  eine postkryptische Bestandsaufgabe der Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen.


Kunst mit hohem Feuchtigkeitsgehalt und einem Niveau unter N.N.:
Die internationale Kunstkarawane auf dem Weg durchs Wasser

Dr. Jackie L. Stevenson über: Ayse Erkmens On Water (Auf dem Wasser)

Kurz unterhalb der Wasserlinie darf man neuerdings, Ayse Erkmen sei Dank, das äußere Ende des Münsterschen Hafenbeckens zu Fuß durchqueren. Vorausgesetzt, man ist zur rechten Zeit da – soll heißen: nach 12 Uhr, wenn kein Unwetter, kein Triathlon oder sonstige Unwägbarkeiten drohen und wenn es nicht zu viele Mitbewerber gibt um einen Platz im Wasser. Dann heißt es Röcke schürzen und Hosenbeine hochkrempeln, Schuhe ausziehen und durch das brackige Wasser schlurfen, so lange man es barfüßig auf eisernen Gitterrosten eben aushält. Bequem ist was anderes.
Spätestens wenn man dann, von einem Fuß auf den anderen tretend, so mitten im seichten Wasser steht, fragt man sich, wann denn zu dieser Seichtheit bzw. zur trüben Aussicht unter den eigenen Füßen endlich der Aha-Effekt kommt. Was also hat es auf sich mit diesem unsichtbaren Ding, das im Wesentlichen nichts anderes ist als eine fehlkonstruierte Brücke?
 
Um von einem Ufer zum anderen zu gelangen, müsste man nur wenige Meter weiter einfach bis ans Ende des Hafenbeckens laufen. Das kann es also nicht sein.
Die Aussicht von der Beckenmitte macht eigentlich auch nicht viel her, und hätte man nicht ständig nasse Füße, würde man überhaupt nichts Besonderes daran finden.
 
Flucht in die Ignoranz? Umdrehen und weggucken gilt nicht!
 
Es muss wohl irgendwas mit Kunst zu tun haben….und ja, richtig, da war doch was mit Kunst und über Wasser gehen! Ein gewisser Christo soll da im Jahre 2016 im Iseosee in der Lombardei mit seinen „Floating Piers“ eine ganz und gar unscheinbare Installation gemacht haben, bei der man übers Wasser laufen konnte und entweder die schwimmenden, leuchtend orangenfarbenen Streifen entlang des Ufers und über den See wie eine gigantische Zeichnung betrachten oder selber beschreiten konnte. Aber da war ja kaum jemand da, nur etwas über eine Million Besucher.
Es ist schon erstaunlich, mit welche Unverfrorenheit Frau Erkmen dann kein Jahr später (was es unmöglich macht, den Vergleich nicht anzustellen) mit ihren Plänen herausrückte, das Gleiche noch einmal in mickrig in Münster zu versuchen.
 
Beim besten Willen ist schon mal die Umgebung um Klassen hässlicher (ein oberitalienischer See mit Alpenpanorama ist allerdings auch schwer zu überbieten), der Maßstab ist verhältnismäßig winzig, anstelle der großen Geste eines farbigen Eingriffs in die Landschaft gibt es von vornherein den Verzicht auf jedwede ästhetische Gestaltung durch die angestrebte Selbstversenkung und das Unsichtbarmachen der Installation, und anstatt tatsächlich über das Wasser zu laufen (wie der Titel es suggeriert und der Katalogtext hartnäckig behauptet), watet man nur durch dasselbe. Das sind nicht nur ein paar Zentimeter Niveauunterschied, das ist eine Unterbietung auf allen Ebenen und um mehrere Stockwerke.
 
In Zeiten von Hochwasserkatastrophen mutet dieses läppische Über-überflutete-Wege-Gehen manchen sicher besonders bitter an. Aber selbst bei strahlendstem Sonnenschein ist es doch allerhöchstens ein Abenteuerspielplatz für die Großen – Ausstellungsbesucher, die endlich wieder ins Planschbecken dürfen.
Und solche Volksbelustigung soll keine Anbiederung ans Publikum sein, ein sperriges Kunstwerk und nicht bloß ein Kotau vor dem Stadtmarketing?
 
Wer hat’s erfunden? Sebastian Kneipp – als der Menschheit noch zu helfen war.
 
 
Das freut sich sicher, wenn nach der Kneippkur alle Gäste in die am Hafen lückenlos sich erstreckende Gastronomie einfallen um dort über die Freibad-, Verzeihung, Freizeitqualitäten der Stadt Münster zu räsonieren. Es soll jedoch auch Menschen geben, die am Tisch sitzen und so schwierige Worte wie „Chuzpe“ und „Plagiarismus“ über die Lippen bringen.
 
Dr. Jackie L. Stevenson

Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl..

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist schon erstaunlich, mit welche Unverfrorenheit Frau Erkmen dann kein Jahr später
(was es unmöglich macht, den Vergleich nicht anzustellen) mit ihren Plänen herausrückte,
das Gleiche noch einmal in mickrig in Münster zu versuchen.

[...]

In Zeiten von Hochwasserkatastrophen mutet dieses läppische Über-überflutete-Wege-Gehen
manchen sicher besonders bitter an. Aber selbst bei strahlendstem Sonnenschein ist es
doch allerhöchstens ein Abenteuerspielplatz für die Großen – Ausstellungsbesucher, die
endlich wieder ins Planschbecken dürfen.
Und solche Volksbelustigung soll keine Anbiederung ans Publikum sein, ein sperriges
Kunstwerk und nicht bloß ein Kotau vor dem Stadtmarketing?

[...]

Das freut sich sicher, wenn nach der Kneippkur alle Gäste in die am Hafen lückenlos
sich erstreckende Gastronomie einfallen um dort über die Freibad-, Verzeihung,
Freizeitqualitäten der Stadt Münster zu räsonieren. Es soll jedoch auch Menschen geben,
die am Tisch sitzen und so schwierige Worte wie „Chuzpe“ und „Plagiarismus“ über die
Lippen bringen.


SEHR SEHR GEIL!!! DANKE an Dr. Jackie L. Stevenson!!!