Mittwoch, 20. Juli 2022

Akt, Land und Architektur

Die Schöne mit dem Aluhut, Aachen 2022 - Foto: Roman Mensing 

Seit heute morgen steht die Schöne mit dem Aluhut als ein Geschenk von Susanne von Bülow auf Ebene 14 - am Eingang zum Abgang des Parkdecks 0 - mit Blick über den Aachener Westen. 

Die nackte, lebensgroße Frau ist Teil des "Bütten auf Beton" Stipendiums von von Bülow. 
Im Verlauf des vom Land NRW geförderten Projektes sucht die Künstlerin aus Münster besondere Orte aus, die sie mit einer besonders aufwendigen und wertvollen Hommage würdigen will. 
Der auf 300 Gramm schweren Bütten angelegte Akt mit Aluhut thront hoch auf dem Beton des Treppenhauses zum Parkdeck in Aachen und scheint in Erwartung eines Aufstiegs nach ganz oben auf Außerirdische zu warten. Gleichzeitig spielt das Druckwerk auf ikonische Szenarien der Himmelfahrt an.

Für ein paar Wochen werden die montypischen Arbeiten am Ort verweilen, bis sie entweder rückstandsfrei von der Künstlerin wieder entfernt werden, oder ihren möglichen Bestizer wechseln werden. Die Abbildung auf dem baumwollbasierten Papier wurden zunächst auf einer Silhuette des Aktes aufgetragen, um später mit hohem Druck eingeprägt zu werden. Von Bülow beschreibt das als besondere Form der Malerei, mit dem Umweg der Druckkunst. Die tonnenschwere Walzenlast bedingt eine untrennbare Verbingung von Motiv und Untergrund und erzeugt eine Wirkung die nur mit dem Fresko vergleichbar ist, wo Farbe und Wand eine Identität im Ausdruck bewirkten.

Blick auf das Parkhaus, Aachen 2022 - Foto: Roman Mensing

Wenn sich Susanne von Bülow auf den Weg begibt, um besondere Orte zu würdigen, so kann das wie in Münster unter einer Brücke am Ringe eher auf einen Unort anspielen, den zu übersehen man gewohnt ist, oder ganz anders in Aachen einen besonderen Aspekt einer Architektur sichtbar werden lassen. Sie wählte das von Kister, Scheithauer und Gross gebaute Parkhaus aus, dessen Silhuette mit "kalkultierten Unschärfen" arbeitet. Hier wird dem Gebäude als metallische Haut eine Abdeckung übergeschraubt, deren punktuelle und seriell durchbohrten Eingriffe, dem schweren Material eine Leichtigkeit verleihen. Aufgemalte Strukturen interferieren dabei optisch mit den Hintergründen und führen zu besonderen Unschärferelationen, deren Verkleidung gekonnt dort aufhören, wo die Treppenaufgänge auf der Spitze des Gebäudes als quasi nackte Betonkuben sichtbar werden.

Blick von über die Brücke auf Parkhaus, den Akt und das Klinikum,
Aachen 2022, Foto: Roman Mensing

Und wenn man seit heute morgen die Brücke über den Ring quert und auf das Parkhaus blickt so erkennt man zuöberst einen Akt, über den sich, je näher man sich dem Gebäude annähert das metallische Geländer wie ein Bekleidung schiebt. Von Bülow würdigt jedoch neben dem KSG Bau ebenso die architektonisch Landmarke des Aachener Klinikums - diesem "Centre Pompidou der medizinischen Welt", das den astralen Kontakt nährt, als könne die Schöne mit dem Aluhut Signale empfangen oder als würde das Deck als Flughilfe dienen - ganz ähnlich den an- und abhebenen Rettungshubschraubern des Klinikums nebenan.

Die Schöne mit dem Aluhut 2022 - Aachen mit Blick auf das Klinikum
- Foto: Roman Mensing

Bei der Betrachtung der Nahaufnahme erkennt man die doppelte Präzision der Farbwahl - einerseits wird sichtbar, dass das Architekturbüro mit ihrem Weinrot, die Funktionsrohre des Klinikumbaus aufgreift - andererseits wird deutlich, dass von Bülow mit dem gewählten Druck, die Haut des Aktes wie des Bütten mit dem Beton des Treppenhausaufbaus kontrastieren, um gleichzeitig mit dem Klinikums eine tonale Verbindung einzugehen.

Beim nächsten Besuch eines Verwandten im Krankenhaus empfehlen wir daher die 14. Etage des Parkhauses aufzusuchen und den Blick über Akt, Land und Architektur des Aachener Vorlandes zu werfen.

Ruppe Koselleck

als redaktioneller und kunsttalkkompatibler Tippgeber für eine Reise durch NRW - hier nach Aachen.

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