Mittwoch, 21. Juni 2017

DIY or die

Beliebteste Stelle im Kontext der Arbeit von Nairy Baghramian  Foto: Stephan Trescher 2017
DIY or die - ein Gastbeitrag von Dr. Jackie L. Stevenson über
Nairy Baghramian: Beliebte Stellen / Privileged Points

Mit Abstand das Schönste an der mehrteiligen Skulptur von Nairy Baghramian am Erbdrostenhof ist ein Wort aus der Materialbeschreibung: „Spindelspanner“.

Dreiteiliger Bronzewurm vor Schlauns Erbdrostenhof - Foto:  Stephan Trescher
Klingt das nicht phantastisch, wie ein seltener Schmetterling? Oder müsste der dann „Spandelspinner“ heißen? „Zurrkette“ ist auch ganz hübsch, führt aber eher zur Assoziation an bissige Hofhunde. Dabei sieht die Skulptur nicht besonders tierisch aus, höchstens wie ein Bandwurm im Fangeisen, aber eher wie ein vervielfachter Wurmfortsatz mit scheinbar zähflüssig nach unten tropfender Oberfläche (als wäre der Lack noch nass, um nur die harmloseste Vermutung zu wagen).

Was man auf den ersten Blick wohl nicht bemerkt: Es handelt sich um jeweils drei Bronzeabgüsse dreier gleich unansehnlicher Formen, drei vorne, sechs hinten; die vor dem Gebäude (eben mittels jener hinreißend benamten Gegenstände) provisorisch zusammenmontiert sind zu einer kurvig gekrümmten und himmelwärts strebenden Dauerwurst und auf der Rückseite des barocken Prachtbaus irgendwie unsortiert übereinanderliegen. Insofern kann man der Arbeit eine gewisse Anna-Blumigkeit bescheinigen (sie ist von hinten wie von vorne), aber nur in Maßen, denn schließlich haben die massiven Bronzewürste auf der Vorderseite einen dunkelblauen Lacküberzug erhalten, die im Hinterhof einen weißen.



Das scheint doch schon einmal ein Fortschritt, wenn man sich vor Augen führt, was die Künstlerin sich vor zehn Jahren geleistet hat, als sie auf einem Parkplatz einen dermaßen behelfsmäßigen und belanglos zusammengehauenen Paravent aufstellte, dass man jede Woche aufs Neue befürchten musste, die Müllabfuhr würde sich seiner annehmen.

Unvollendete, weiß lackierte skulpturale Bestandteile auf westfälischem Kopfgestein - Foto:  Stephan Trescher
Aber auf eine fertiggestellte Skulptur von Frau Baghramian werden wir wohl noch mindestens ein weiteres Jahrzehnt warten müssen, schließlich ist ihre neue Arbeit nur vorläufig zusammengebaut und soll erst im Falle eines Ankaufs (!!!) verschweißt werden- – ob in einfacher oder gleich dreifacher Ausfertigung, in hell oder dunkel, wird nicht verraten.

Hoffen wir einfach, dass es soweit nicht kommt und sich diese mit ganz viel Schutzbehauptungen ummantelte, clevere Vermarktungsstrategie als vorausschauend erweist:
Keine fertige oder gar ortsspezifische Skulptur für Münster zu produzieren und stattdessen einen Do-It-Yourself- Bausatz aufs Pflaster zu legen, den man besser transportieren und gefahrlos andernorts wieder zusammenbauen kann.


Dr. Jackie L. Stevenson für den
Der Meisterschüler

Stevenson ist die erste Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl..

1 Kommentar:

Ruppe Koselleck hat gesagt…

Schlimme Fotos eine peri-traditionellen Bronze, vielteilig, teuer aber billig lackiert. Es ist in der Tat nicht so, daß wir uns einig wären in der Beurteilung dieses schwergewichtigen Wurms, dieses Dingens da, welches in der Schauseite schwarz lackiert und im Hinterhof noch unmontiert und krückenlos umherliegt....
Danke Dr. Stevenson - freue mich auf mehr! Gruß von Ruppe Koselleck