Skulp & Blog - eine postkryptische Bestandsaufgabe der
Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen.
Unbeteiligte Zuschauer auf der Fuckbank |
Dr. Jackie L. Stevenson Hito Steyerl:
HellYeahWeFuckDie
Im Foyer der LBS ist mords was los. Bunt gewandete Touristen
laufen in Scharen hin und her, Roboter bekommen ein Bein gestellt oder einen
gezielten Karatetritt verpasst und Banker sitzen auf Bänken, die das Wort FUCK
buchstabieren. Was ist passiert? Hito was here, Hito Steyerl.
In der in jeder Hinsicht kühlen Halle hat sie ein Ensemble
aus Wandschirmen, Stützrohren und Sitzbänken installiert, das aussieht, als sei
es für den Raum maßgeschneidert, so nahtlos fügen sich die Stahlprofilbleche
und Haltestangen (die nur verchromt noch besser ausgesehen hätten) in den
nüchternen Raum mit seinen Betonpfeilen, seiner Rasterdecke und den glänzenden
Steinfliesen ein. Auch mit der geradezu erschreckend unsichtbaren Kunst aus
LBS-eigenem Besitz, all den farblosen, metallisch glänzenden oder spiegelnden
Arbeiten von Yaacov Agam, Adolf Luther, Günther Uecker, Heinz Mack oder Victor
Bonato harmonieren die Einbauten von Steyerl aufs Beste.
Ganz schön hell hier. |
Die auf dem Fußboden ruhenden, quaderförmigen Betonbänke
haben es allerdings in sich: Auf ihren Vorderseiten bestehen sie aus neonweiß
leuchtenden Großbuchstaben, die sich zu den Worten hell, yeah, we, fuck und die formieren.
(Jeweils in zweifacher Ausführung und unterschiedlich gruppiert übers gesamte
Foyer verteilt.)
Diese Worte sollen die fünf am häufigsten gebrauchten in den
englischsprachigen Pop-Charts der letzten zehn Jahre sein – ziemlich
unglaubwürdig, so ohne I und Love und You. Aber nun gut, sei dem wie ihm wolle, die auf das nötigste
reduzierten, zurückhaltend grauen Sitzmöbel kollidieren aufs Heftigste mit der
aggressiven Semantik der Leuchtbuchstaben, und in dieser laut-leisen Mischung
aus baulich-ästhetischer Harmonie und frecher Rotzigkeit, kühler Strenge und herausgeschriener
Selbstzerstörungswut hätte wirklich Potential gelegen – hätte es Frau Steyerl
bei den leuchtenden Buchstaben- Betonbänken belassen.
Hito hinter den Spiegeln |
Aber ach, stattdessen müssen da zwei Videos flimmern, eines
davon gleich in dreifacher Ausfertigung (wodurch es um keinen Deut besser
wird). Es mutet an wie eine Sammlung aus YouTube-Clips der Rubrik „Meine
lustigsten Unfälle mit Robotern“, die hier offenbar gezielt aus dem
Gleichgewicht gebracht werden. Dagegen geschnitten sind ziemlich schematische Computersimulationen
von mal saurier-, mal menschenähnlichen Gestalten, meist auf ein geometrisches Gerippe reduziert, deren
Bewegungsabläufe ebenfalls regelmäßig ein desaströses Ende finden.
Auf der anderen Seite des Foyers läuft ein
halbdokumentarisches Video über den Krieg in Kurdistan, genauer gesagt die an
der syrischen Grenze gelegene, fast völlig zerstörte Stadt Cizre, der Heimat
des arabischen Gelehrten al-Dschazarī,
der an der Wende vom 12 zum 13. Jahrhundert u.a. auch mechanische Spielzeuge erfunden hat (die offenbar als Vorläufer
von Robotern gedeutet werden sollen).
Völlig aus dem Gleichgewicht: Da staunt der Fachmann Bauklötze |
Dazwischen schneidet Steyerl echten Volkstanz und ein bisschen unlustiges Siri-Bashing, also das Vorführen des dümmsten virtuellen Weibchens seit Erfindung der automatischen Spracherkennung.
Und was soll uns das sagen? Schon klar, Roboter sollen
dereinst als Hilfsmaschinen auch in Kriegsgebieten eingesetzt werden und deshalb
nicht gleich beim ersten Seitenhieb umfallen. Das kurdische Volk hat ein Recht
auf nationale Selbstbestimmung, einverstanden. Aber in diesem Allerweltsbrei,
den die Künstlerin hier anrührt, hat offenbar alles mit allem irgendwie zu tun,
al-Dschazarī mit Al Jazeera, Siri womöglich mit Cizre und die LBS mit der PKK.
Schade, dass hier nicht „Robots“ läuft, da kommt wenigstens ein James Brown –Roboter vor |
Das fällt nicht nur inhaltlich völlig auseinander, das
entgleist auch formal total. Spätestens mit den zwei blauen Schaumstoffbauklotzfiguren,
die auch noch im Foyer herumliegen. Sie sind in denkbar schlichter Manier den
hopsenden Klotz-Skeletten aus den Computersimulationen nachempfunden, einer
stehend, einer gefallen, beide armlos und peinlich infantil.
Flowers, yeah! |
Als hätte Steyerl
in ihr Ensemble unbedingt auch noch eine Kinderspielecke einbauen wollen, um
das geistige Niveau zu untermauern, auf dem hier agiert wird. Bad Ugly Fucking
Stupid Yeah.
Dr. Jackie L. Stevenson
Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl....
für den DER MEISTERSCHÜLER
Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl....
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