Montag, 18. September 2017

O Fuck Art Will Die



Skulp & Blog -  eine postkryptische Bestandsaufgabe der Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen. 


Unbeteiligte Zuschauer auf der Fuckbank

Dr. Jackie L. Stevenson Hito Steyerl: HellYeahWeFuckDie

Im Foyer der LBS ist mords was los. Bunt gewandete Touristen laufen in Scharen hin und her, Roboter bekommen ein Bein gestellt oder einen gezielten Karatetritt verpasst und Banker sitzen auf Bänken, die das Wort FUCK buchstabieren. Was ist passiert? Hito was here, Hito Steyerl.
In der in jeder Hinsicht kühlen Halle hat sie ein Ensemble aus Wandschirmen, Stützrohren und Sitzbänken installiert, das aussieht, als sei es für den Raum maßgeschneidert, so nahtlos fügen sich die Stahlprofilbleche und Haltestangen (die nur verchromt noch besser ausgesehen hätten) in den nüchternen Raum mit seinen Betonpfeilen, seiner Rasterdecke und den glänzenden Steinfliesen ein. Auch mit der geradezu erschreckend unsichtbaren Kunst aus LBS-eigenem Besitz, all den farblosen, metallisch glänzenden oder spiegelnden Arbeiten von Yaacov Agam, Adolf Luther, Günther Uecker, Heinz Mack oder Victor Bonato harmonieren die Einbauten von Steyerl aufs Beste.

Ganz schön hell hier.


Die auf dem Fußboden ruhenden, quaderförmigen Betonbänke haben es allerdings in sich: Auf ihren Vorderseiten bestehen sie aus neonweiß leuchtenden Großbuchstaben, die sich zu den Worten hell, yeah, we, fuck und die formieren. (Jeweils in zweifacher Ausführung und unterschiedlich gruppiert übers gesamte Foyer verteilt.)
Diese Worte sollen die fünf am häufigsten gebrauchten in den englischsprachigen Pop-Charts der letzten zehn Jahre sein – ziemlich unglaubwürdig, so ohne I und Love und You. Aber nun gut, sei dem wie ihm wolle, die auf das nötigste reduzierten, zurückhaltend grauen Sitzmöbel kollidieren aufs Heftigste mit der aggressiven Semantik der Leuchtbuchstaben, und in dieser laut-leisen Mischung aus baulich-ästhetischer Harmonie und frecher Rotzigkeit, kühler Strenge und herausgeschriener Selbstzerstörungswut hätte wirklich Potential gelegen – hätte es Frau Steyerl bei den leuchtenden Buchstaben- Betonbänken belassen.


Hito hinter den Spiegeln

Aber ach, stattdessen müssen da zwei Videos flimmern, eines davon gleich in dreifacher Ausfertigung (wodurch es um keinen Deut besser wird). Es mutet an wie eine Sammlung aus YouTube-Clips der Rubrik „Meine lustigsten Unfälle mit Robotern“, die hier offenbar gezielt aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Dagegen geschnitten sind ziemlich schematische Computersimulationen von mal saurier-, mal menschenähnlichen Gestalten, meist auf  ein geometrisches Gerippe reduziert, deren Bewegungsabläufe ebenfalls regelmäßig ein desaströses Ende finden.


Auf der anderen Seite des Foyers läuft ein halbdokumentarisches Video über den Krieg in Kurdistan, genauer gesagt die an der syrischen Grenze gelegene, fast völlig zerstörte Stadt Cizre, der Heimat des arabischen  Gelehrten al-Dschazarī, der an der Wende vom 12 zum 13. Jahrhundert u.a. auch mechanische  Spielzeuge erfunden hat (die offenbar als Vorläufer von Robotern gedeutet werden sollen).

Völlig aus dem Gleichgewicht: Da staunt der Fachmann Bauklötze


Dazwischen schneidet Steyerl echten Volkstanz und ein bisschen unlustiges Siri-Bashing, also das Vorführen des dümmsten virtuellen Weibchens seit Erfindung der automatischen Spracherkennung.
Und was soll uns das sagen? Schon klar, Roboter sollen dereinst als Hilfsmaschinen auch in Kriegsgebieten eingesetzt werden und deshalb nicht gleich beim ersten Seitenhieb umfallen. Das kurdische Volk hat ein Recht auf nationale Selbstbestimmung, einverstanden. Aber in diesem Allerweltsbrei, den die Künstlerin hier anrührt, hat offenbar alles mit allem irgendwie zu tun, al-Dschazarī mit Al Jazeera, Siri womöglich mit Cizre und die LBS mit der PKK. 


Schade, dass hier nicht „Robots“ läuft, da kommt wenigstens ein James Brown –Roboter vor


Das fällt nicht nur inhaltlich völlig auseinander, das entgleist auch formal total. Spätestens mit den zwei blauen Schaumstoffbauklotzfiguren, die auch noch im Foyer herumliegen. Sie sind in denkbar schlichter Manier den hopsenden Klotz-Skeletten aus den Computersimulationen nachempfunden, einer stehend, einer gefallen, beide armlos und peinlich infantil. 


Flowers, yeah!


Als hätte Steyerl in ihr Ensemble unbedingt auch noch eine Kinderspielecke einbauen wollen, um das geistige Niveau zu untermauern, auf dem hier agiert wird. Bad Ugly Fucking Stupid Yeah.


Dr. Jackie L. Stevenson

Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl....

Keine Kommentare: