Im Kontext der Ausstellung "Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów" im Flandernbunker in Kiel zeigt Ella Malin Visse sieben Fotoarbeiten, von denen vier mit thermochromatischen Lacken bearbeitet sind.
Alle künstlerischen Reflexionen beziehen sich auf eine Expedition nach Auschwitz, Krakau und Płaszów aus dem Jahr 2019, als eine Gruppe von Historikern und Künstlerinnen des IAK - Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften sich auf die Reise nach Polen begeben hatte.
Untersucht wurden in diesem Kontext die Mahnmale, Gedächtnisstätten und Geschichtsorte Auschwitz und Płaszów unter sehr diversen Fragestellungen von abweichenden Strategien nationaler, religiöser oder internationaler Erinnerungskulturen rund um die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager.
Im Falle des Konzentrationslager Płaszów wurden unsere ästhetischen Forschungen auch von den Resten und Relikten der Filmdreharbeiten von Steven Spielbergs Schindlers Liste beeinflußt, da neben offiziellen Gedenkorten auch popkulturelle Aspekte des Films resp. des Filmsets in unsere ästhetischen Forschungen einfließen mußten.
Ella Malin Visse reflektiert ihre Sicht auf die Geschichtsorte in transformierten Fotografien vom Steinbruch in Płaszów (einem historischem Arbeitsort des KZ Płaszów und dem Drehort von Schindlers Liste) und weiteren rekonstruierten und originalen Baracken aus Auschwitz-Birkenau sowie der gesprengten Gaskammer in Birkenau.
Sie verwendet dabei einen thermoaktiven Lack, der Ausschnitte auf den quadratischen Bildern verdunkelt, die durch die Wärmezufuhr wieder einsehbar werden, bevor diese mit dem Prozess des Erkaltens wieder verschwinden. Hierbei rekuriert die Osnabrücker Künstlerin auf einen fundamentalen Prozeß des "Erinnern und Vergessens" - der schlaglichtartigen Einsicht sowie der abnehmenden Verbildlichung - kurzum dem aktiven Prozeß, der Geschehen und Geschichte selbst beschreibt.
Die thermolackbasierte Farbfläche verdeckt dabei im Fall des Blickes auf den bewaldeten Steinbruch die Sicht auf die Industrieanlagen des KZ Płaszów sowie des Filmsets von Schindlers Liste.
Die Wärmezufuhr legt neue Einblicke frei, mit denen man aber zunächst - also ohne weiteres Wissen - nichts weiter anfangen kann. Der Wald enthält für wenige Augenblicke Industrie, deren Prozeß des Verschwindens jedoch sich unmittelbar wieder einstellt, sobald der Fön seinen Luftstrom einstellt. Im Hintergrund sichtbar bleiben die Kirchen als touristische Schönheit vor dem Firmament.
Visses ästhetische Lösungen sind quadratische auf Dibond aufgezogene Artefakte - sind schöne Aufnahmen von Orten, deren drastische Verbrechen unsichtbar bleiben müssen. Das Vergangene erscheint ebenso tod - wie das Tödliche selbst. Das Vergangene entzieht sich ganz offensichtlich dem gegenwärtigen und optisch Wahrnehmbaren selbst. Was bleibt ist ein den Jahreszeiten unterworfenes Waldbild am Stadtrand von Krakau.
Wenn Visse mit dem quadratischen Format eine maximal unnatürliche Form wählt, so folgt sie damit einer widersprüchlichen intellektuellen Sperrigkeit - einem klaren Konstrukt.
Wer ein Quadrat hat, hat vier gleiche Seiten, hat ausgeglichene Aspekte einer Erkenntnis, einer Ein- oder Aussicht anzubieten. Wer ein Quadrat hat, folgt einer technischen Logik, das hier bei Visse seine Gültigkeit mit einemWarm-Kalt Prozeß permanent verlieren und gewinnen kann.
Ihre Arbeit verweist dabei auf einen exkursionsbedingten und exkursiven Umstand, das mit dem Bild Unklarheiten enstehen und sozusagen die Forschung resp. die Arbeit erst beginnt.
Ihre Quadrate laufen dabei der naturgegebenen rechteckigen Wahrnehmung zuwieder. Sie zeigen sich als eine präzise fast distanzierte Wahl des Blickes auf ein so unbegreifliches Geschehen wie den industriellen Massenmord in Auschwitz.
Sie schafft damit ein vermessenes, exaktes, quadratisches Bildformat, welches weitergehende notwendige Forschungen und Nachforschungen erwartet, fordert - operationalisiert.
Unbedingt sehenswert!
Am 27. Januar 2021 wird zum 76. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee,
ein Video über ein thermoaktives Bildquadrat von Ella Malin Visse am Flandernbunker in Kiel gezeigt. Sichtbar werden Besucher von Birkenau mit dem Blick auf die geprengten Gaskammern - dem sinnlosen Versuch der SS, Ihre Verbrechen auf diese Weise verschleiern zu können.
Herzlichen Dank an Anja Manleitner für die Dreharbeit zum Film und Jens Rönnau für die Beratung vor Ort.
Ruppe Koselleck
im Projekt Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów
KONFLIKTLANDSCHAFTEN - Besuch in Płaszów
Helene Baldursson, Andreas Brenne, Sarah Büchel, Nine Gerhard, Ruppe Koselleck, Iwona Sasinska und Ella Malin Visse
Der Flandernbunker - Mahnmal Kilian, e.V.
Im Kontext Ausstellung Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów, die am 27. Januar 2021 um 19 Uhr im Flandernbunker in Kiel
eröffnet wird, werden an dieser Stelle Arbeiten und Projekte von sieben
Studierenden und Lehrenden aus dem Fach Kunst von der Universtität
Osnabrück vorgestellt. Die Arbeiten zeigen Exponate, Skizzen, Projekte
und Reflexionen aus einer gemeinsamen Exkursion 2019 mit
Historiker:innen in die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz,
Monowitz und Plaszow.
Gezeigt wird zunächst der Stand der künstlerischen Beforschungen zum Komplex Auschwitz und Płaszów aus der IAK - Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften. Diese Arbeiten geben nur den künstlerischen Ausschnitt aus der Gesamtarbeit des IAK wieder, ohne deren Anregung und Diskussion diese Reflektionen nicht entstanden werden.
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