Im Kontext der Ausstellung Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów zeigt Iwona Sasinska Skizzen und Tagebuch zur Entwicklung einer Graphic Novel über die Erinnerungen ihrer Großmutter.
Iwona Sasinska ging im Verlauf unserer gemeinsamen Exkursion nach Płaszów und Auschwitz einen eigenen, anderen Weg, indem sie ihre Familie in der Nähe besuchte. Daraus entwickelte sie ein Projekt, deren Stand aktuell im Flandernbunker in Kiel als sensible, vorläufige und unfertige Installation gezeigt wird.Graphic Novel über Geschichten und Erinnerungen meiner Großmutter
Meine Großmutter heißt Emilia, ist am 27.10.1934 geboren und war 5 Jahre alt, als der Krieg angefangen hat. Ihre Familie hieß Potega mit Nachnamen und wohnte in Gruszow, in einem kleinen Dorf bei Krakau in Südpolen. Nach dem Krieg ist sie mit ihrem Mann Adolf Potega nach Mniszow umgezogen, ca. 15 km weiter von Gruszow, wo auch meine Mutter Elzbieta geboren ist.
Meine Großmutter hat oft über die Ereignisse in unserem und in ihrem Dorf erzählt, als ich klein war. Ich kann mich daran erinnern, dass sie dies gerne getan hat und die Möglichkeit, darüber zu sprechen, für sie eine Art Erlösung war.
Ihre Erzählungen berichteten einerseits von einer brutalen und schweren Realität, von der Verfolgung, der Umsiedlung, der Flucht von Juden, aber auch von den Konsequenzen und dem Einfluss der deutschen Besetzung auf die Bewohner aller Orte bei Krakau. Andererseits konnte sie sich auch an ein paar schöne Momente erinnern und hat von Menschen erzählt, die der deutschen Besetzung entgegenwirkten oder den Juden bei der Flucht geholfen haben. Ich habe diese Geschichten gerne gehört und nach viel Details gefragt, denn sie waren für mich wie Filmdrehbücher, die entweder eine positive oder eine negative Auflösung hatten.
Die Idee für meinen Kunstprojekt kam spontan, während der Exkursion nach Krakau und Auschwitz. Ich wollte nicht über etwas berichten, das bereits in den Medien und Büchern viel vertreten ist. So erinnerte ich mich an meine Großmutter, aber auch an andere ältere Menschen aus meinem Dorf und beschließ, ihre Erinnerungen bezüglich des Zweiten Weltkrieges festzuhalten. Diese Aufgabe war von besonderen Bedeutung, denn viele von ihnen sind bereits gestorben und mit ihnen gingen ihre Erzählungen verloren. Begleitet von meinem blauen Notizbuch besuchte ich meine Großmutter in Mniszow. Ich saß mich, wie gewöhnlich, am Küchentisch hin und bat sie darum, ihre Geschichten noch einmal zu erzählen.
Ich notierte in dem Notizbuch sorgfältig alles, was sie sagte und fragte, wie damals, viel nach. Ich fühlte mich wieder wie ein kleines Mädchen, denn ich konnte bereits vieles notieren, bevor es gesagt wurde, aber auch wie eine erwachsene Frau, die sich bewusst und reflektiert mit diesen Erzählungen auseinandersetzte. An dem nächsten Morgen fragte meine Großmutter besorgt, ob es für mich negative Konsequenzen dafür geben wird, dass diese Geschichten öffentlich gemacht werden und, ob der Rückkehr nach Deutschland aufgrund dessen für mich gefahrlos ist.
Mir wurde sofort bewusst, dass ihre Realität immer noch diese aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs ist, in denen für das Bekanntmachen solcher Geschichten Menschen ermordet wurden. Somit wurde mein blaues Notizbuch zum Symbol alter und neuen Zeiten und Perspektiven.
Ich habe meine Notizen in Comic-Zeichnungen umwandelt, denn genau diese Bilder haben mich begleitet und tauchten in meinem Kopf auf, seitdem ich die erste Geschichte meiner Großmutter gehört habe. Als Kleinmädchen, die keine ausreichenden Fähigkeiten besaß, um ihre Vorstellung auf das Papier zu übertragen, habe ich mir selbst versprochen, so viel und lange zu zeichnen, bis ich in der Lage war, die Erfahrungen meiner Oma so, wie sie erzählt wurden, mit dazugehöriger Realität und Brutalität darzustellen.
im Projekt Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów
KONFLIKTLANDSCHAFTEN - Besuch in Płaszów
Helene Baldursson, Andreas Brenne, Sarah Buechel, Nine Gerhard, Ruppe Koselleck, Iwona Sasinska und Ella Malin Visse
Der Flandernbunker - Mahnmal Kilian, e.V.
Im Kontext Ausstellung Konfliktlandschaften - Besuch in Płaszów, die am 27. Januar 2021 um 19 Uhr im Flandernbunker in Kiel
eröffnet wird, werden an dieser Stelle Arbeiten und Projekte von sieben
Studierenden und Lehrenden aus dem Fach Kunst von der Universtität
Osnabrück vorgestellt. Die Arbeiten zeigen Exponate, Skizzen, Projekte
und Reflexionen aus einer gemeinsamen Exkursion 2019 mit
Historiker:innen in die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz,
Monowitz und Plaszow.
Gezeigt wird zunächst der Stand der künstlerischen Beforschungen zum Komplex Auschwitz und Płaszów aus der IAK - Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften.
Diese Arbeiten geben nur den künstlerischen Ausschnitt aus der
Gesamtarbeit des IAK wieder, ohne deren Anregung und Diskussion diese
Reflektionen nicht entstanden werden.
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