Skulp & Blog - eine postkryptische Bestandsaufgabe der
Skulpturprojekte Münster 2017 mit multiplen Autoren - Gästen und Festen.
Schlittschuhlaufen müssen wir jetzt wohl woanders. |
Dr. Jackie L. Stevenson über Pierre Huyghe: After ALife Ahead
Es war einmal eine Eissporthalle. Schattig und kühl ist es
drinnen noch immer – besonders, wenn man eine Stunde lang auf Einlass wartend
in der Sonne gestanden hat, was außer der Körpertemperatur auch die Erwartungen
mächtig in die Höhe treibt. Die dann folgendermaßen enttäuscht werden:
Die ultimative Synthese aus Caspar David Friedrich und Bob, dem Baumeister. |
Wenn sich die Augen ans Halbdunkel gewöhnt haben, was sehen
sie da? Eine Großbaustelle: Aufgestemmte Spezialbetonbodenplatten, schön
geometrisch zersägt, vorzugsweise in spitzwinkligen Vier- und Dreiecken, flach
oder verkantet schräg aufgestellt in einer großen Baugrube, die, unregelmäßig
ausgehoben, etwas sehr landschaftsähnliches bekommt. Durch diese Landschaft
darf man auf vorgegebenen Pfaden wandeln, kommt an einer Grundwasserpfütze
vorbei, in und an der sich erste Algen und bescheidener Pflanzenbewuchs angesiedelt haben.
Aquarium wie außenrum: CDF fährt jetzt U-Boot. |
Außerdem gibt es einen großen gläsernen Quader, der meistens
schwarz ist, manchmal aber wie von Zauberhand durchsichtig wird und sich dann
als Aquarium zu erkennen gibt, in dem eine ähnliche Landschaft in klein
arrangiert ist wie außenrum.
Der Berg der Bienen |
Bevölkert ist das Aquarium nur spärlich, einen neonbunten Zierfisch und eine Seeanemone konnte ich selbst ausmachen, angeblich lebt dort aber auch noch eine sogenannte Textil-Kegelschnecke.
Belebt wird die Halle des weiteren durch Bienen, denen man
eine Art von tönernem Kegel–Berg zur
Anlage ihres Stocks errichtet hat und die beständig durchs geöffnete
Dach ein- und ausfliegen.
Etwas abseits steht außerdem ein geschlossener schwarzer
Kasten, angeschlossen an eine Sauerstoffflasche und die Stromversorgung – ein
Inkubator, in dem sich menschliche Krebszellen vermehren sollen.
Sie kommen! |
An der Decke der Halle hängen flache schwarze Pyramiden, von
denen zwei als elektrisch gesteuerte Dachluken ausgeprägt sind und von denen
die eine sich ab und zu automatisch öffnet und wieder schließt.
Letztgenannter Vorgang wird, so heißt es, von den Bewegungen
der Kegelschnecke ausgelöst, die auch für die Aktivierung der ab und zu
erklingenden Brummtöne verantwortlich sein soll.
Das Gehäuse dieser auch Weberkegel genannten Schnecke ist
hübsch gemustert und besteht überwiegend aus Dreiecken. Was also eine formale
Verbindung herstellt zu den Pyramiden an der Decke und den wie Eisschollen in
die Luft ragenden Bodenplatten, die den kunstsinnigen Betrachter natürlich an
Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde der „Gescheiteten Hoffnung“ erinnern.
Ob in der black box des Inkubators tatsächlich Krebszellen
oder Schrödingers Katze [https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze] eingesperrt sind, lässt sich nicht mit Bestimmtheit
sagen.
Auch eine schöne Verknüpfung von Tier und Maschine: Klappe zu, Affe tot. |
Auch nicht, ob wirklich die Bewegungen der Kegelschnecke die
Öffnung der Dachluke steuern oder ob es die Brummtöne sind oder umgekehrt.
Die vom Künstler behaupteten Zusammenhänge sind weder
logisch noch nachvollziehbar oder überprüfbar, es handelt sich dabei mehr um
eine Glaubensfrage.
Als pseudo-wissenschaftliche Metapher für ein kompliziertes
Ökosystem, in dem alles von allem abhängt und überkreuz mit anderem verwoben
ist (der Raubbau an der Erde, das Bienensterben, Krebserkrankungen und die
Veränderungen der Ozeane) funktioniert Huyghes Arbeit vielleicht, in jedem Fall
erzeugt sie eine diffus bedrohliche Atmosphäre.
Aber eigentlich sieht die Mondlandschaft im Dämmerdunkel
doch nur aus wie eine große überdachte Baustelle mit CDF-Appeal und spacigen
Dachluken, die man mit viel an von Däniken geschulter Phantasie für pyramidale
Raumschiffe halten könnte, die über unseren Köpfen schweben.
Und niemand beamt uns rauf.
Und niemand beamt uns rauf.
Dr. Jackie L. Stevenson
Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl....
für den DER MEISTERSCHÜLER
Dr. Jackie L. Stevenson ist Autorin einer von Dr. Stephan Trescher und Ruppes skeptischen Anteilen der Restredaktion des Der Meisterschüler kuratierten kritschen Reihe über die Skulptur, versteckte 2017 – Hierbei entsteht ein Blogbuch zum Großkunstereignis zwischen Stadt- und Kunstmarketing. In lockerer Folge werden sich hier verschiedene Autorinnen und Autoren in Einzelbetrachtungen eine kritische Bestandsaufnahme über diese erfolg- wie folgenreiche Ausstellung leisten. Diskurs auch auf FB, mögl....
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen