Eröffnungsrede von Dr. Stephan Trescher
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bekannte, Freundinnen und Fans!
Wie alles begann – das weiß ich ehrlich gesagt nicht, das war vor meiner Zeit.
Aber wie es dazu kam, daß ich hier heute Abend vor Euch und Ihnen stehe, das kann ich erläutern: Überspringen wir mal die Vorgeschichte von Zeugung, Geburt, Ausbildung und schillernder Karriere und begeben uns direkt auf den hiesigen Prinzipalmarkt. Da lief ich neulich entlang, unterwegs zwischen Markt und Bioladen, da sang plötzlich jemand mir von hinten lautstark ins Ohr:
„Oh my Darling…“. Aber quasi gleichzeitig klingelte mein vorsintflutliches Handy, auf das ich so stolz bin, und ich hatte Herrn Koselleck am Ohr, der mir ein Angebot machen wollte, das ich nicht ablehnen könne. Das war nun eine fatale Situation, denn wie sollte ich mich entscheiden, im einen Ohr der beständig wiederholte Ruf nach mir „Oh my Darling“, im anderen die von Ruppe gekonnt wortreich und zuckersüß ummantelte Aussicht auf einen ganzen Schwung Extraarbeit. Ich entschied mich gegen die Sirene, die sich inzwischen in einen bärtigen, maximal pigmentierten. laut blökenden Möchtegernmusikanten verwandelt hatte und für den Lockruf des Goldes.
So einfach ist das. Und nun? Was soll ich sagen, bevor ich in die heute obligatorischen „Vivat Vivat“-Rufe im feinsten westfälischen Latein ausbreche?
Vielleicht das Folgende: Grund zur Freude und Anlass zum Staunen bietet allein schon ein Blick in die Statistik: Die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung lag in Deutschland im vergangenen Jahr bei knapp über 15 Jahren.
Jüngsten Erhebungen zufolge liegt die durchschnittliche Lebensdauer von Ateliergemeinschaften sogar noch darunter, bei ungefähr 13 Jahren.
Nur damit auch alle nicht direkt Betroffenen ermessen können, was für ein erstaunliches, geradezu phänomenales Jubiläum wir heute hier feiern: Die Ateliergemeinschaft Schulstraße besteht nunmehr seit 40 Jahren! Hat zwei Umzüge überlebt und sowohl Mitglieder aus der Gründerzeit zu bieten als auch beständigen Zuwachs an Neuzugängen. Ginge es nach Bedarf und Beliebtheit dieser Institution, müsste man wahrscheinlich ein doppelt so großes Atelierhaus noch obendrauf setzen.
Nun kann man über den Sinn und Unsinn von Ateliergemeinschaften trefflich streiten und auch ich habe mir aus gegebenem Anlass einige Gedanken zum Thema gemacht. Die führen mir aber zu weit ins Theoretische und Allgemeine, deshalb werde ich Sie an dieser Stelle damit verschonen. Wen es aber interessiert:
Meine gesammelten Thesen gibt es zu lesen, online bei stephan.trescherpost.de und auf der Seite von dermeisterschueler.de. (also hier, Anm. d. Red)
Soweit unser kleiner Werbeblock, respektive die wissenschaftliche Fußnote.
Um das Fazit dieses Textes hier schon mal vorwegzunehmen: Die Existenz von Ateliergemeinschaften ist ein Ding der Unmöglichkeit und eine unabdingbare Notwendigkeit zugleich. Und zwar auf jeden Fall notwendig, denn wo sonst kann man so viel, so unterschiedliche, taufrische Gegenwartskunst auf einem Fleck bewundern?
Da wir es hier nicht nur mit einer Jahres-, sondern einer Jubiläumsausstellung zu tun haben und es bekanntermaßen keine Feste ohne Gäste gibt, hat sich die Zahl der an dieser Ausstellung beteiligten Künstler noch einmal sprunghaft erhöht, von 20 auf 41. Und damit nicht genug, hat Ruppe Koselleck auch noch eine Filmschau als Ausstellung in der Ausstellung initiiert, „40 Filme für 40 Jahre“, wodurch der Kreis der Mitwirkenden noch einmal erweitert wird, nun ins beinahe schon weltumspannende Format.
Um den absoluten Bewegtbild-Overkill zu vermeiden, werden nur ein paar dieser Filme hier nebenan als Dauerprojektion gezeigt, den Großteil des Programms gibt es als Video on demand zu sehen, also als Film auf Wunsch. Na, wenn das mal nicht publikumsfreundlich ist! Aber:
Dieses überbordend große Angebot führt natürlich dazu, daß ich beileibe nicht allen Künstlerinnen, Künstlern und Werken hier gerecht werden kann – dafür bitte ich um Entschuldigung und Nachsicht. Würde ich meine Redezeit, nehmen wir mal an sie betrüge 15 Minuten, gerecht verteilen, blieben für jeden Einzelnen genau 11,11 Sekunden pro Nase.
Das scheint mir kein gangbarer Weg zu sein. Apropos Weg: Noch ein Problem an der künstlerischen Überfülle ist sicher ihre Unübersichtlichkeit, weshalb ich gleich mit anderthalb Orientierungshilfen aufwarten möchte, bevor Sie sich auf die garantiert anregende Expedition durch diesen Kunstdschungel begeben.
Um zuvor noch einmal die Statistik zu bemühen: Nach diversen Studien liegt die Verweildauer vor einem Gemälde in einer Ausstellung im Schnitt bei weniger als einer halben Minute. Das gilt es hier und heute unbedingt zu überbieten!
Also, los geht’s: Für eine erste Orientierung kann man sich zum Beispiel ins Atelier von Ulrich Haarlammert begeben, der zeigt nämlich - den Kenner wird es erstaunen - eine Vielzahl kleiner Farbradierungen, die immerhin jeweils drei Himmelsrichtungen angeben und daher assoziativ Erinnerungen an alte Landkarten wecken, aber doch eher eigenständige Bildwerke sind, die in kunstvoller, zum Ornament tendierender Einfachheit Vogelschwärme, Ziegenherden oder nackte Schwimmerinnen im Wasser zeigen - an Stelle der vierten Himmelsrichtung steht stets „Foreign Land“. So mag das mit der geographischen Verortung im poetisch Ungefähren und Metaphorischen versanden.
Dann nehmen wir eben einen direkt gegenüber im Treppenhaus angebotenen Kompass von Renate Hano zu Hilfe, der uns eine chronologische Orientierung bietet, in den richtigen Weltkunstzusammenhang einbettet und außerdem für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgt.
Hanos Arbeit heißt Blaumachen und betreibt in exzessiver Weise, was ich hier versuchen möchte, eher kleinzuhalten, das name-dropping. 2.571 Namen erscheinen da dichtgedrängt auf einem Bildschirm, manche rot, andere blau. Es sind die Namen aller Künstlerinnen und Künstler, die seit 1955 an der documenta teilgenommen haben. Die Farbgebung bezieht sich auf die online-Enzyklopädie Wikipedia, wo alle Namen, die noch keinen eigenen Eintrag haben, rot markiert sind, während die anderen links blau erscheinen. Im Laufe des mehrstündigen Videoloops werden jeweils einzelne Namen herangezoomt, verwandeln sich von rote in blaue und tauchen wieder ein ins Namensmeer, das so ganz allmählich komplett blau wird. Was sich beim Betrachten als eher meditativ ruhiger Vorgang darstellt, ist in Wahrheit die bildliche Umsetzung eines Jahre dauernden Mammutprozesses, also eigentlich eine dokumentarische Darstellung in enormem Zeitraffer, denn tatsächlich hatte sich Hano zur Aufgabe gemacht, allen noch nicht in der Wikipedia erwähnten Künstlerinnen (und um solche handelte es ich vornehmlich) einen Wiki-Eintrag zu schreiben. Das waren letztlich mehr als 900! Und sie hat es geschafft. Hut ab!
Aber kommen wir vom Blaumachen zum Buntmachen und widmen uns ein wenig der Malerei: Noch ist Klaus Geigle bedauerlicherweise auf keiner documenta vertreten gewesen, aber wer weiß…
Der Maler gewährt uns heuer höchst spannende Einblicke in seine Werkstatt, denn er präsentiert neben einer kleinen Auswahl an Gemälden auch seine Skizzenbücher - und da kann man sehr gut das vergleichende Sehen üben, Bildgenesen studieren, sich über den Rang von Skizze, Vorstudie und fertigem Bild Gedanken machen. Aber Achtung! Während Sie noch in die Betrachtung der erstaunlichen Schönheiten von Oberhausen versunken sind, könnte es passieren, daß plötzlich Raumschiffe Ihren Weg kreuzen und auf jeden Fall besteht die Gefahr von aus heiterem Himmel vorüberfliegenden Knochen!
Während hier in Geigles Kosmos die Welten nur auf der Bildoberfläche kollidieren, kann es einem bei David Ritzmann passieren, daß wirkliche Gegenstände in Konkurrenz zu ihrem eigenen Abbild treten, seien es Gießkannen oder Badewannenstöpsel. Ist das noch Malerei oder schon Assemblage? Eine Collage ist es jedenfalls nicht, der begegnen wir schon eher bei Alfred Schramm, der wunderbar schräge, sperrige Sperrholzverschnitte im Wechsel von positiven und negativen Formen übereinander montiert, bezeichnet und bemalt. Was im ersten Moment wie eine zufällige Resteverwertung aussieht, entfaltet bei näherer Betrachtung doch eine spröde Poesie, die von Ferne sogar an den späten Kurt Schwitters erinnert.
Auf Schwitters komme ich später noch mal zurück. Bleiben wir aber erst einmal bei den montierenden Künstlern von heute:
Lena Skaya ist in allen Genres und Techniken unterwegs, Zeichnung, Malerei, Skulptur, Installation, bis hin zur Performance. Die Grenzen von abstrakt und gegenständlich bzw. figürlich interessieren sie nicht sonderlich. Was sie dagegen interessiert, ist das Weltgeschehen jenseits des Kunstkokons, so daß sie eine vielschichtige Arbeit aus malerischen Skizzen und skulpturalen Objekten zum Thema erzwungener Migration zeigt und außerdem ein zunächst völlig ungegenständlich wirkendes Materialbild:
Mit farbigen Flächen und Rasterstrukturen, darauf paarweise mit Draht fest aneinander gezurrte, winklige Kupferrohre, die sich in der Mitte wulstartig verdicken, so daß sich automatisch organische Assoziationen einstellen, an Gelenke, an blasige Schwellungen - ein unbestimmbares aber deutliches Unbehagen stellt sich ein.
„Venus“ hat Skaya ihr Bild betitelt und zielt damit auf etwas, was in diesen Tagen ungeheuerliche Aktualität gewonnen hat, nämlich auf die Vergöttlichung des Weiblichen auf der einen Seite, die auf der andern buchstäblich mit Füßen getreten wird, auf Frauen als Kriegs-, Folter- und Vergewaltigungsopfer, als Beute und Kriegstrophäe, auf die Frau als Lebensspenderin, die in Leichenbergen nach ihren eigenen Söhnen suchen muß - für die Künstlerin ist es eine Ikone des Schmerzes.
So, einmal tief Luft holen. Wir bleiben zwar beim Bild der Frau, bei Rollenklischees und mythischen Motiven, aber es geht doch eine Spur leichter zu, wenn wir uns den verwunschenen Dornröschen-Drucken bei Susanne von Bülow zuwenden. Hier hat die Künstlerin neben ihren großen Kartonfigurinen auch wieder allerhand natürliche Materialien mitgedruckt, zum Beispiel die dornenreichen Brombeerranken, hinter denen die notorische Langschläferin zu verschwinden droht.
Während ihre nackten Nachbarinnen im Atelier, also die unangezogenen Damen diesmal nicht ihre Blößen, sondern ihr Gesicht mit schwarzweißen Wolken und Abstraktionen bedecken. Wie ohnehin der ganze Raum durch die Abwesenheit von Farbe glänzt.
Dabei ist doch Farbe so wichtig! Anne Kückelhaus hat einer einzigen von ihnen eine ganze Werkserie gewidmet. Ihr Name ist aber auch gar zu schön, sie heißt ganz offiziell „Bittersweet Shimmer“ und ist ein leicht angeschmutztes Rosarot mit einer Tendenz zu dunklem Pink. Die bildet das verbindende Element zwischen den sehr unterschiedlichen Gattungen Zeichnung, Druckgraphik, Skulptur und standarten-ähnlichen Fahnen. Motivisch sind es meistens kleine Hunde, die hier auftauchen - aber von Niedlichkeit keine Spur. Latent oder offensichtlich aggressiv, selbst in seltsam unwirkliche Schwebepositionen gebracht, sind sie außerdem vor allem eines: Herrenlos. Sichtbar wie spürbar bleibt immer die Leerstelle, eine Vakanz, diese entsetzliche Lücke.
Wo wir schon in der Fauna angekommen sind, wagen wir jetzt den Sprung vom Hund zur Katze, das heißt hin zu Luzia-Maria Derks. Untermalt von zwei schönen Arabesken von Debussy gibt es bei ihr Filme zu sehen, keine Katzenvideos (Gott bewahre!), aber Katzenaugenfilme, ergänzt um Katzenaugenfotos und im Treppenhaus hoch über uns eine luxuriöse Katzenaugeninstallation - Kronleuchter nix dagegen!
Wo wir in Gedanken schon durchs Treppenhaus flanieren: Unübersehbar wird Ihnen dort außer dem Tropfsteinpilz von Dörbecker & Frevel eine der Spezialitäten des Hauses aus der Abteilung Grund & Boden begegnen, nämlich ein riesiger Planierwalzendruck vom Pflaster in Lübecks Innenstadt.
Man kann sich dem Boden aber auch jenseits der Grundstückspreisspekulation oder unterhalb des Pflasters widmen, dann stößt man auf die Bodenkultur, wie sie uns Myka Baum vor Augen führt. Eigentlich ein höchst wissenschaftliches Bildgebungsverfahren aus der Chemie, liefert die Chromatographie hier doch sehr schöne Kreis-Muster, die uns, auch ohne daß wir Laien die Bodenbeschaffenheit daraus ablesen können, ästhetisch höchst erfreuen.
Um Regenwürmer geht es dort auch, wir wollen uns aber lieber den Fröschen zuwenden. In diesem Falle, obwohl wir es bei Nikola Hamacher mit einem Video zu tun haben, um gänzlich unsichtbare. Wir schauen in Hamachers Atelier in einen vermeintlich tiefen Brunnenschacht, sehen dann aber, daß da eine beweglich umherschweifende Kamera uns ein Naturidyll mit viel Grün, Bächlein, Bäumen und Dorffragmenten zeigt – und über all dem liegt das lärmige Geräusch von offenbar zahlreichen Fröschen. Wir suchen, wie anscheinend das Auge der Kamera auch, nach den Urhebern dieser Töne - und finden sie nie. Diese reizvolle Spannung zwischen Hören und Sehen und das Vorenthalten des Eigentlichen bzw. die Dominanz des Nichtsichtbaren in einem visuellen Medium öffnet geradezu philosophische Perspektiven auf das Medium Film.
Weswegen wir an dieser Stelle einen kurzen Abstecher in die Filmabteilung machen, wo es unter anderem ein ebenso prägnantes wie selbstbezügliches Gedanken- und Wortspiel aus dem Hause Timm Ulrichs zu sehen gibt, der einen grundlegenden Kulturwandel des 20. Jahrhunderts, nämlich den medialen Wechsel vom Stand- zum Bewegtbild in nur vier Buchstaben fasst, die einmal die Plätze tauschen, so daß aus dem IKON ein KINO wird.
Einer der zahlreichen Künstler, die durch die Schule von Ulrichs gegangen sind, ist Dietmar Schmale, und auch er zeigt das Video einer Transformation. Wenn man so will ebenfalls vom Bildwerk zum Filmwerk, genauer gesagt: Den Zermürbungsprozess von der Skulptur zum Staub, vom Kruzifix zum Holzmehl. Mit diesem Bandschleifmaschinenmassaker exemplifiziert er den Wandel von der christlich geprägten zu einer glaubensfernen, säkularisierten und entgeistigten Gesellschaft. Klug und böse.
Erfahrungen von Transzendenz und Spiritualität lassen sich aber auch in diesem Hohen Hause machen, denn Christine Rokahr bietet in ihrem Atelier außer einer skulpturalen Installation ihrer flirrend lichthaltigen Gemälde auch schamanische Begleitung, an, die vielleicht nicht ausgerechnet heute Abend, aber im geeigneten Moment die Erfahrung von tiefer Stille ermöglichen soll. Um der Liebe eine Chance zu geben.
Wem das zu weit geht, der kann sich zurück in die Natur stürzen. Die Fauna hatten wir schon, aber auch die Flora kommt in unserem wilden Auf und Ab von einem Ausstellungsparcours nicht zu kurz: So kann man bei Alfred Schramm zarten Grünpflanzenportraits in Wasserfarben begegnen und bei Esther Ruthenfranz Blütenbildern in geradezu virtuosen Kugelschreiberzeichnungen oder aber in Gestalt von Bildern in Ölkreide, wo die Farben förmlich explodieren und die Kunst die Natur einmal mehr in den Schatten stellt.
Man kann die Sache natürlich auch anders angehen und sich den Nutzpflanzen samt ihren politischen und ökologischen Implikationen widmen, wie das Santiago Robles symbolisch mit seiner vergoldeten Mais-Miniatur-Skulptur für den Berliner Kunstverein tut.
Womit wir ja schon beim nächsten Thema wären: Erstmal Essen.
Dazu gibt es z.B. von Gabriel Hahner ein Video zu sehen, indem eine altmodisch gekleidete Frau mit karnevaleskem Pappmaché-Schwellkopp gefüllte Marmeladengläser aus dem Kellerregal nimmt und an die Wand wirft, wo sie mit großem Effekt zerplatzen. Das hat bei aller Destruktivität etwas grotesk Komisches, aber auch von hexenhafter Geisteraustreibung. Nur schade um die Marmelade.
Da widmen wir uns doch lieber dem Wunsch- Filmprogramm, in dem es unter anderem eine Intrigante Intervention der Herren Brandstifter und Koselleck zu bewundern gibt: Auch hier handelt es sich eher um eine abgefilmte Performance, denn die beiden stellen sich tatsächlich in der Innenstadt von Mainz vor eine Burger-King-Filiale und schrauben, mit Spaxschrauben und Akkuschrauber bewaffnet, sehr akribisch einen Double-Cheese-Burger auf einen dort noch verwurzelten, abgesägten Baumstamm. Der wird damit, ganz wie bei Balkenhol, zum Sockel einer Skulptur, die ein bisschen formlos derangiert den Vögeln zum Fraß vorgesetzt wird und womöglich auch an Claes Oldenburg erinnert - in jedem Fall ist es das Absurdeste und wohl auch Beste, was man mit so einem Cheeseburger veranstalten kann.
Daß der auch Fleisch enthält, kann nicht als gesichert gelten. Aber trotzdem ist es spätestens jetzt an der Zeit, eine Triggerwarnung an alle Vegetarier und Veganer auszusprechen: Die folgenden Sätze könnten ganz viel FLEISCH enthalten!
Denn jetzt kommen wir zu Gästen von „weit her“: Jasmin Richter und Lisa Buskühl haben nämlich hier im Eingangsbereich eine, Schreck lass nach, Wursttheke errichtet! Es gibt da ein buntes Sortiment von Wurst in hauchdünnen Scheiben, samt dazugehöriger Unterlage in Gestalt von leicht angekokeltem Toastbrot. Aber keine Sorge, der Toast ist aus Papier und die Wurstscheiben sind allesamt Aufkleber. Sogenannte Aufschnitt-Auflagenkunst.
Um das Ganze noch zu steigern, lohnt sich ein Besuch in Lea Wächters Atelier, denn die hat ihren Raum in ein, Achtung!, „Fleischwurst-Kabinett“ verwandelt! Sie zeigt Malereien, Zeichnungen, Keramik und sogar Textarbeiten aus den letzten Jahren, die sich alle mit dem Motiv der Fleischwurst befassen. Man glaubt es nicht, wie vielfältig das Thema ist. Der stabile Wurstring als keramisch glänzendes Objekt von geradezu perfekter Form kann da in den verschiedensten Farbtönen zwischen orange, rot und braun erscheinen, in handgeknetetem oder auch gemaltem Erscheinungsbild, mit kreisrundem Maul und zwei Augen versehen, zum Tier werden, also eher einer merkwürdigen Comicfigur, die aus dem farbenfrohen, abstrakten Spiel von verschlungenen Röhrengebilden ein Regenwurmballett macht. Oder, wenn eine Wurst eine Wurst isst, also die eine Wurst der anderen Wurst in den Schwanz beißt, zusammen eine Form zwischen Ouroboros und Laugenbrezel bilden. Die Künstlerin meint dazu: „Am Ende sind wir doch alle kleine Würstchen“.
Und Kurt Schwitters (da ist er, der lang angekündigte!) schrieb schon vor hundert Jahren: „Was ist die Kunst? Die Kunst ist uns Wurst!“
Wie, jetzt ist es „echt Zeit, Alter“? Früher kam an dieser Stelle immer noch eine rosarot angemalte Großkatze vorbei und wurde gefragt: „Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?“
Also gut, biege ich eben in die Zielgerade ein:
Liebe junge und stets jünger werdende Insassen der Schulstraße: Ich gratuliere Euch und Eurer Anstalt ganz herzlich zum Vierzigsten!
Ihr seid sowas von Old School! Happy Birthday!
Rede zur Eröffnung von "40 Jahre Ateliergemeinschaft - Wir feiern das!"
Ateliergemeinschaft Schulstraße, Schulstraße 43, 48149 Münster, am 10. November 2023
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